Von der Seele Patagoniens

12.02.09 20:19

Wenn diese Landschaft, die Berge, die Gletscher und die endlosen Weiten der Pampa etwas verbindet, dann ist es der Wind. Hier unten tritt er als eigenständige Wetterform auf, die alles in sich vereint, was die Landschaft dem Betrachter vor Augen führt. Er treibt den Regen, bringt die Sonne, formt die Bäume, peitscht das Gras und verleiht den Bergen durch die dahin fegenden Wolkenfetzen eine eigene, mystische Aura aus Licht und Schatten. Fast scheint es, dass dieser Wind den riesigen Globus in seinen schweren Angeln zum Drehen bewegt, als möchte man das Knarren und Knarzen der Achsen vernehmen, wenn wieder eine wuchtige Böe die Erde fast beben lässt. Und wenn man diese Stimmung nur lange genug in sich aufnimmt, dann könnte man fast glauben, dass es eine tiefere Einheit des Ganzen gibt, etwas, dass man vielleicht sogar als Seele Patagoniens bezeichnen könnte – für uns jedenfalls gibt es sie und diese Seele ist der Wind.

PA1aNun sind wir also fast „ganz unten“ angekommen. Hier in Punta Arenas müssen wir einige Wartungsarbeiten am SCAM durchführen, denn die langen und teilweise recht ruppigen Pistenstrecken fordern auch von der besten Technik ihren Tribut. Aber dieser technische Zwischenstopp ist wieder einmal eine gute Gelegenheit, das Erlebte der vergangenen vier Wochen „auf den Bildschirm“ zu bringen.


In El Calafate sind wir am 26. Januar losgefahren. Zu diesem Zeitpunkt war Chicas Bein soweit stabil, dass wir es wagen konnten, unsere Reise fortzusetzen. Und so machten wir uns auf zum legendären Torres del Paine Nationalpark in Chile. Zwar durften wir wegen der Hunde nicht in den Park, aber wir haben traumhafte Tage um die Parkgrenze herum verbracht und meinen Geburtstag am Rio Serrano gefeiert. Und dabei war das schönste Geburtstagsgeschenk eine traumhafte Panoramasicht des Paine Massivs - so einfach kann also ein stressloses Geburtstagsgeschenk aussehen.

PA2aWenn man aber etwas genießt, dann vergeht die Zeit im Allgemeinen viel zu schnell. Auch da bilden wir leider keine Ausnahme. Also machten wir uns nach einer viel zu kurzen Woche auf den Weg nach Punta Arenas, der südlichsten Stadt Chiles. Auf dem Weg hatten wir dann das unverhoffte, riesige Glück, dass größte Rodeo der Region in Cerro Castillo besuchen zu können. Normalerweise findet das wohl immer am dritten Wochenende im Januar statt, aber in diesem Jahr hat man es eben auf das Vierte gelegt – manchmal muss man eben Glück haben.

PA3Und die Veranstaltung zu besuchen hat sich echt gelohnt! Hier in der Pampa zwischen Nichts und Nirgendwo kamen plötzlich 5.000 Menschen zusammen und die Stimmung war einfach nur gigantisch und nichts für Touristen in Szene gesetztes. Wenn man diese Gauchos (südamerikanische Cowboys) bei ihren Wettkämpfen beobachtet, kann man den Geist Patagoniens fast greifen. Man muss nur in die wettergegerbten Gesichter blicken, das Funkeln und den Stolz in den Augen sehen, wenn sie sich mit Anderen im Wettkampf messen und buchstäblich wie der patagonische Wind mit ihren Pferden über die Steppe donnern. Da wurden Schafe und Rinder getrieben, Pferde zugeritten, Pferde mit dem Lasso eingefangen, oder einfach nur ein Parcours mit verschiedenen Aufgaben abgeritten. Und für uns war es besonders toll, am Samstag auch die Kinder bei ihren Wettkämpfen zu beobachten. Diese Gnome, die schon mit vier Jahren antreten, sehen teilweise wie das geschrumpfte Abbild der Großen aus, nicht nur der Kleidung wegen, sondern weil man selbst bei ihnen schon den Stolz in den Augen funkeln sehen kann, wenn sie ihre Pferde vorwärts treiben.

PA4Besonders bemerkenswert war auch, dass es wohl ein gemeinsames, patagonisches Nationalgefühl geben muss. Normalerweise sind Argentinier und Chilenen nicht das, was man auch nur im Entferntesten als Freunde bezeichnen kann. Jeder hält vom anderen rein gar nix. Die Argentinier sind vielen Chilenen zu faul und unorganisiert und die Chilenen sind den meisten Argentiniern zu kleinkariert und abgehoben. Hier beim Rodeo allerdings treffen sich die Gauchos beider Staaten unbürokratisch und ohne Unterschied. Hier werden gemeinsam Lieder gesungen, getanzt und gefeiert und für uns hatte es den Anschein, dass alle – egal ob Chilene oder Argentinier - sehr stolz auf ihre gemeinsamen patagonischen Wurzeln sind.

Auf jeden Fall war es ein tolles Erlebnis für die ganze Familie. Und das schließt natürlich auch unser jüngstes Mitglied mit ein. Für Chica ist alles Neue erst einmal ein willkommener Anlass es nach Herzenskraft zu verbellen, schließlich muss man sich als „kleiner“ Hund ja vor allem erst einmal Respekt verschaffen. Und wenn es nichts Neues mehr gibt, dann entdeckt man in jedem Fall etwas viel Größeres. Zum Beispiel Pferde, Kühe und Schafe. Hier gilt natürlich die gleiche Regel: erst mal kräftig kläffen!

PA5bUm ehrlich zu sein, waren wir uns unschlüssig, ob sie sich nun Respekt verschaffen will, oder nur verhindern möchte, dass wir womöglich ein anderes Tier als sie mitnehmen könnten. Aber die kleine Dame hat eine so schnelle Auffassungsgabe, so dass die vermeintliche“ Konkurrenz“ nach zwei Tagen nur noch ein grimmiges Knurren wert war, denn ihr dürfte mittlerweile klar geworden sein, dass wir sie niemals mehr eintauschen werden. Überhaupt hat sich Madame bestens bei uns eingelebt: morgens wird ausgeschlafen und zwar so lange bis Herr- und Frauchen wach sind, Sitz und Platz funktioniert auch schon recht passabel und mit Paco wird täglich rumgetobt und gespielt. Das ist dem alten Herrn zwar manchmal etwas zu viel jugendliche Energie auf einmal, aber wenn sie dann mal nicht da ist, sucht er sie, als ob ihm etwas fehlen würde. Irgendwie erscheinen die beiden uns, wie Susi und Strolch, die beiden Hunde aus dem Disney-Zeichentrickfilm.

PA6Alles in allem geht es uns also wirklich gut und in ein paar Tagen machen wir uns auf, den letzten Rest des Weges durch Feuerland in Angriff zu nehmen. Bis dahin wünschen wir allen viel Spaß mit den Bildern der Gletscher vom Lago Argentino und den Torres del Paine und besonders Annabell, Sophia, Maxi und Gina mit den Bildern der Rubrik „Susi & Strolch“.