Spätsommer im argentinischen Seengebiet

04.05.09 00:03

Tierra del Fuego liegt nun schon viele Wochen hinter uns. Wir haben uns langsam aber sicher weiter nach Norden in das argentinische Seengebiet „hochgearbeitet“. Hier ist das Klima wunderbar spätsommerlich warm und sonnig. Und die Landschaft setzt hier wieder einmal einen neuen Standard der Superlative. Doch zunächst mehr von den 2.500 Kilometern, die zwischen Feuerland und San Carlos de Bariloche liegen.

ETMB-4Auf unserem Weg nach Norden mussten wir Mitte März erst einmal eine Zwangspause in Rio Gallegos, dem Geburtsort des ehemaligen Präsidenten Kirchner, einlegen. Wir hatten uns beide eine Erkältung eingefangen und saßen in dem durchaus unwirtlichen Ort erst mal für eine Woche fest. Geschüttelt vom patagonischen Wind verbrachten wir die meiste Zeit in einem „Neubaugebiet“ westlich der Stadt und kurierten uns aus, bevor es an der Küste Richtung Commodore Rivadavia weiterging. Hier am Atlantik genossen wir die endlosen Strandspaziergänge mit Paco und Chica und besuchten den phantastischen versteinerten Wald des Nationalparks Bosque Petrificado bei. Vor 150 Millionen Jahren wurde hier bei einem Vulkanausbruch das gesamte Gebiet unter einer Asche- und Staubschicht begraben und die Wälder versteinerten über die Jahrmillionen. Seit die verborgenen Baumriesen von den oberen, weicheren Gesteinsschichten durch Erosion befreit sind, staunen die Menschen über diese steinernen Monumente. Und genauso zogen auch uns die in unzähligen Farben und Formen daliegenden versteinerten Holzstücke in ihren Bann und wir konnten uns nur mit viel Mühe dem Bedürfnis erwehren, soviel wie möglich als Souvenirs einzusammeln.

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Als wir dann in Commodore Rivadavia wieder mal kein Geld mit unserer HSBC Kreditkarte erhielten, begann eine Odyssee durch das argentinische Bankensystem, das mittlerweile ergebnislos seit fünf Wochen anhält und durch zahlreiche Mails und Bankbesuche zunehmend zu einen Vollzeit-Nebenjob ausartet. Andererseits haben wir dadurch und zusammen mit den vielen anderen Beispielen einen guten Eindruck von den Defiziten dieses Staates, der sich immer gerne auf Augenhöhe mit Chile und Brasilien versteht, jedoch auf absehbare Zeit so weit davon entfernt bleiben wird. Hier feiert die Selbstwahrnehmung der Argentinier wahre Orgien über die Fremdwahrnehmung – ein potentielles Paradies für arbeitslose Therapeuten. Für den interessierten Leser haben werden wir in den kommenden Tagen einen Artikel der deutsch-sprachigen Zeitung aus Buenos Aires verlinkt, der beispielhaft den Machtmissbrauch der Präsidentschaft beschreibt. ETMB-6

Aber zurück zur weiteren Reise ins argentinische Seengebiet, die 150 Kilometer nach Commodore Rivadavia durch einen deutlich wahrnehmbaren Dieselgeruch im Führerhaus unterbrochen wurde. Und da der Geruch nicht von den hier überall anzutreffenden Ölfeldern stammen konnte, musste es doch eine andere Erklärung geben. Die Dieselrückführ-Leitung der Kraftstoffpumpe hatte sich leck gescheuert und mein erstes provisorisches Reparieren mit kraftstoffresistenten Klebeband hielt nur 50 Kilometer. Da die Leitung mit dem Anschluss thermoverschweißt war und wir nicht wussten, ob man das gesamte Teil austauschen muss, entschieden wir uns dazu, die 200 Kilometer nach Commodore Rivadavia zurück zu fahren. Denn dort gibt es eine IVECO-Werkstatt und die 500 Kilometer nach San Carlos de Bariloche erschienen uns mit dem zweiten Provisorium zu riskant. Der Kenner weiß: das zweite Provisorium (Benzinschlauch mit Schraubklemmen) hielt natürlich und wäre wahrscheinlich bis zum Ende der Reise dicht geblieben… aber dafür kennen wir nun die durchaus moderne IVECO-Werkstatt in Commodore Rivadavia und wissen, dass der 24. März ein Feiertag ist, an dem nicht gearbeitet wird. Logisch, dass wir am 23. März spät abends ankamen… Dieser erneute Zwangsaufenthalt wurde allerdings durch eine spontane Einladung zum Grillen durch ein argentinisches Ehepaar toll überbrückt. Mit Miguel und Liliana verbrachten wir einen netten Nachmittag am Grill ihres neu gebauten Häuschens und erfuhren auch hier wieder viel über Land, Leute und was sie so bewegt, bzw. was sich hier nicht bewegt

Nachdem die Leitung ausgetauscht war machten wir uns dann tags darauf auf zum Nationalpark Los Alerces in dem die wohl ältesten noch lebenden Wesen unseres Planeten zu finden sein dürften: die bis zu 4.000 Jahre alten Alerces-Bäume. Hier hatten wir nun zur Abwechslung auch mal einen Tag strömenden Regen, bevor uns die Sonne die traumhafte Seen- und Gebirgslandschaft in den strahlenden Herbstfarben präsentierte. Nach vier Tag rissen wir uns los, um in El Bolsón noch den Deutschen Klaus Schubert zu besuchen, der vor fünf Jahren mit seiner Familie hierher ausgewandert ist und uns unsere Autoversicherung in Südamerika organisiert. Gemeinsam mit ihm, seinen beiden Töchtern und Jochim, einem anderen Besucher, verbrachten wir dann nochmal fünf Tage Dauerregen, bevor wir uns aufmachten um unser großes Osterei in Llanquihue (Chile) bei Klaus Werners Camping abzuholen. Dorthin hatten wir uns ein Paket mit Ersatzteilen, Büchern, Medikamenten und einer kleinen Digitalkamera für schnelle Schnappschüsse schicken lassen, da die chilenischen Behörden keine so abstrusen und weltfremden Einfuhrgesetze wie die Argentinier erfinden. Man, das war wie Weihnachten und Ostern zugleich! Acht neue deutsche Bücher (darunter Ankes lange vermisstes, da bei Abfahrt vergessenes Biogartenbuch), die Kamera, neue Rücklichtblenden und Gummidichtungen. Noch dazu waren wir an Ostern ganz alleine auf dem sonnenverwöhnten Strandcamping in Llanquihue – was für ein Osterfest! Und dann waren wir auch noch zu Klaus Werners 61. Geburtstag eingeladen, wo wir einen absolut interessanten Abend mit seinen Freunden verbrachten, deren Vorfahren ebenfalls vor 150 Jahren aus Deutschland hierher ausgewandert sind.

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So verwöhnt gönnten wir uns nach einer Woche noch einen Großeinkauf in der besten Metzgerei Chiles (Mödinger S.A.) und erwarben für umgerechnet 20 Euro: 800 Gramm feinstes Rinderfilet, 1,5 Kilogramm Hackfleisch, 12 Paar feinste Grillwürste, 2 Paar Wiener, 200 Gramm geräuchertes Schweinelendchen und eine 300 Gramm schwere Pfeffersalami (die Beste überhaupt!). Unvorstellbar, wie wir später mal wieder mit unserem Preisgefüge zurechtkommen sollen…

Zurück in Argentinien gönnten wir uns dann einige Tage in der Seenlandschaft rund um San Carlos de Bariloche und unterhalb des Gebirgskammes von El Cathedral. Auch Paco und Chica genossen die netten Bergwanderungen. So dachten wir uns zunächst auch nichts dabei, als wir nach einer solchen noch ein Tässchen Kaffee auf der Terrasse des nahen Cafés schlürften und unsere beiden Stromer im SCAM zurückließen. Aber da hatten wir wohl die Rechnung ohne unsere kleine argentinische Straßentöle gemacht. Als wir zurückkamen, war die einzigartig gute, höllenscharfe und in Argentinien nicht zu bekommende Pfeffer-Salami von Mödinger komplett (!!!) verschwunden. Ich hatte am Vorabend gerade mal vier Scheiben davon abgeschnitten, nur so halt, um zu wissen, wie sie schmeckt – und sie schmeckt gut! Die restlichen 280 Gramm sind dann vermutlich durch einen argentinischen Berggeist einfach vom Ablagefach oberhalb unserer Kühltruhe „verschwunden“. Der einzige Trost war dabei, dass unserem „Berggeist“ am nächsten Morgen auch der Hintern nochmal verdammt gebrannt haben muss. Seither gelten verschärfte Sicherheitsmaßnahmen für Lebensmittel im gesamten Transportbereich und wir denken auch über bewaffnetes Bewachungspersonal während unsere Abwesenheit nach.

ETMB-1Kurzerhand entschlossen wir uns dann nochmal die 100 Kilometer nach El Bolsón zurück zu fahren, um Klaus bei seiner Arbeit am Terrassen-Abschnitt seiner Multifunktions-Halle zu helfen. Da seine Frau Claudia für drei Wochen in Deutschland unterwegs war, freute er sich sichtlich über die Hilfe und zudem hatten wir so viel Spaß mit seinen beiden Mädels Anna und Mona, dass wir neue Hoffnung für unsere eigene Familie schöpfen konnten. Nach neun Tagen hatten wir unzählige Runden Uno gespielt, einen unvergesslichen Bauchtanz-Abend mit drei Tänzerinnen (leider alle unter 12 Jahren…) erlebt und es waren alle Bretter gehobelt, alle Nüsse und Quitten geerntet und Anke hatte ein großes EBTM-8Unkrautbeet nahezu ganz von Karotten befreit – oder war es andersrum? Ihren 32. Geburtstag verbrachte Anke jedenfalls genau dort, wo sie sich am wohlsten fühlt - im Garten. So verwundert es auch nicht, dass sie seither jeden Abend Ihren Garten zuhause plant und die Vorfreude auf die Rückkehr stetig steigt. Überhaupt verging nun dieses Jahr seit unserer Abreise so schnell, dass wir uns fast schon überrumpelt vorkommen, wenn wir uns mit unserem Rücktransport beschäftigen sollen. Auch wenn die Termine von Grimaldi (Reederei) für den Rücktransport im November/Dezember noch nicht feststehen, so werden wir uns wohl oder übel in den nächsten zwei Wochen näher damit beschäftigen müssen. Aber zunächst gilt es weiter nach Norden zu ziehen, den Nationalpark Lanin und die Seenlandschaft Siete Lagos weiter zu erkunden und das Leben zu genießen.

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